Stilwandel?

Alternativen

Während der Stil der Moderne von der Industrie geprägt wurde, heißt die Alternative dazu nach wie vor "Handwerk", oder aktueller gesagt: individuelle Fertigung.


"Alternatives Handwerk und neue Technologie – Auf dem Weg zu einer sozialen Utopie der Digitale".


Dieser (nun erweiterte) Vortrag im Museum für Angewandte Kunst MAK Wien am 2.7.2013 dient im Folgenden als Leitfaden für die Einordnung einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen und Versuchen unter der Perspektive des Stilwandels – von der Funktionalismuskritik, als partielle Kritik der Moderne, bis zu den heutigen Vorläufern der Digitale.

2004

Name: Jochen Gros, Prof. em.

Beruf: Designtheorie und Experimente

 

Gros, Ende der Schonzeit, Zur Ausstellung Gefühlscollagen, Wohnen von Sinnen, in: Bauwelt 32/1986

Kunstflug                        Ettore Sottsass

Alternativkultur, in Christiania, Dänemark 1975

Gros, Dialektik der Gestaltung, Universität Stuttgart, Institut für Umweltplanung IUP Ulm, 1971


Gros, Erweiterter Funktionalismus und Empirische Ästhetik, Verlag Designtheorie, Hamburg 1973


Gros, Sinn-liche Funktionen im Design, in: form 75 und 76/1977


Gros, Reporting Progress Through Product Language, in: innovation, The Journal of the Industrial Designers Society of America, Spring 1984


Gros, Grundlagen einer Theorie der Produktsprache, Heft 1 + 4, Hochschule für Gestaltung HfG Offenbach 1983/1988

                                     

Gros, Alternative zum Funktionalismus: Neue Sinnlichkeit, in: Kritik der Alltagskultur, Bernd Meurer, Hartmut Vinçon (Hrsg.), Berlin 1979 

                                 

Gros, Background Functionalism, in: domus 811/1999


Dagmar Steffen, Design als Produktsprache, Verlag form 2000



Kritisiert wurde u.a. das Fehlen eines sozialen Konzepts, denn "die Geschichte der angewandten Künste ist (eigentlich) eine Geschichte der Bemühungen um die reformerische Veränderung von Lebensbedingungen der Menschen" (Bazon Brock).


Und noch fehlte dem Neuen Design der Ausblick auf die neue Technologie. Gros 1986: "Völlig unverständlich erscheint mir, wieso das Neue Design in der neuen CAD/CAM-Technologie immer noch nicht seinen natürlichen Verbündeten wahrnimmt. Wenn es nun mal sein zentrales Problem ist, daß künstlerische Subjektivität nur in kleinen Stückzahlen oder im Einzelstück zu realisieren ist, dann liegt es doch geradezu auf der Hand, sich an den Stromkreis einer Technologie anzuschließen, die auf die Rationalisierung des Einzelstücks und der Kleinserie hinausläuft–gewissermaßen als Roboter-Handwerk".


Bei aller Kritik bleibt das Neue Design aber immer noch ein anschauliches Lehrstück für die Entfesselung ästhetischer Phantasie, für Produktgestaltung als angewandte Kunst und für die Spielräume, die eine individuelle Fertigung eröffnet.


Gescheitert ist auch diese Alternative an den gleichen technischen und ökonomischen Nachteilen, wie schon Arts & Crafts und das alternative Handwerk. Und dieser dreifachen Enttäuschung folgte eine durchaus verständliche und bis heute nicht überwundene Resignation: ein weitgehend unreflektiertes weiter so. Auf der einen Seite lag die Utopie des Bauhauses in Trümmern und auf der anderen war von nun an jede weitere Alternative offenbar von Anfang an als aussichtslos zu betrachten.

Gescheitet ist Des-In, wie alle Gruppen des alternativen Handwerks und die Alternativkultur insgesamt vor allem technisch und ökonomisch, aber natürlich auch am Idealismus und an internen Konflikten.


Neues Design – alternatives Kunsthandwerk  


In den 1980er Jahren verlagerte sich die Suche nach Alternativen  zum Funktionalismus, zur Guten Form, zur Massenproduktion

von der Ökologie zur Kunst. Diese "Alternativbewegung" nannte sich zwar Neues Design, sie tendierte jedoch eher zur Pop Art und praktizierte in Wirklichkeit Handwerk bzw. Kunsthandwerk. Dazu gehörten dann auch figürliche Entwürfe und die erneute Suche nach Ornament und Dekor, wie z.B. in Form der sog. Laminati.

   

Vorwort


Nachdem sich die Industrie im 19. Jahrhundert als Alternative zum Handwerk etabliert hatte, musste sich nun auch das Handwerk als Alternative zur Industrie positionieren. Und daraus resultierte Arts & Crafts, die bis heute reflektierteste Form von alternativem Handwerk.


In der Konkurrenz zur Industrie trumpfte das Handwerk vor allem mit drei Vorteilen auf: mit Selbstständigkeit, mit "Arbeitsglück" und als Ausdruck davon, mit Angewandter Kunst (Jugendstil, Art Nouveau) – verdichtet im Ornament.


Am Ende allerdings wollte man, wie William Morris schrieb, nicht länger für "den schweinischen Reichtum der Reichen" arbeiten. In Wirklichkeit scheiterte die Arts & Crafts Bewegung aber vielmehr am technischen Fortschritt, an der Massenproduktion und einer Utopie der Moderne, in der grenzenloser technischer Fortschritt auch einen ebenso unbegrenzten sozialen, sprich sozialistischen Fortschritt nach sich ziehen sollte. Und darauf begründete sich bekanntlich auch das Bauhaus und die Gute Form.


Kritik ohne Alternative


Kritik am Stil der Moderne, am Bauhaus, am "Ulmer Würfel", die sog. Funktionalismuskritk, kam erst in den 1960er Jahren auf, entwickelt von Philosophen, wie Theodor Adorno und Sozialpsychologen, wie Alexander Mitscherlich. Designtheoretisch fortgeführt wurde dieser Ansatz vor allem als Kritik der Guten Form. 


Doch jede wirkliche Alternative zum Industriedesign, wie zu den sozialen Leitbildern der Moderne, ein tatsächlicher Stilwandel, hätte auch einen anderen Produktionsstil erfordert, eine Alternative zur Massenproduktion, eine erneut individuelle Fertigung, sei's als Handwerk oder als Kunsthandwerk.


Eine solche Alternative war bis 1972 aber noch nicht vorstellbar. Möglich erschien nur ein "Erweiterter Funktionalismus" mit mehr "Sinnlichkeit" in Form von "Produktsprache".


Alternatives Handwerk


Erst das 1972 erschienene Buch, die "Grenzen des Wachstums", konnte eine wirkliche Alternativbewegung auslösen. Versucht wurde jetzt, kurz gesagt, den Lebensstil der Hippies mit ökologischem Bewusstsein zu verbinden und durch "alternative Landwirtschaft" und "alternatives Handwerk" auf die eigenen Beine zu stellen.


Dieses alternative Handwerk reichte z.B. von dem verwegenen Anspruch, das Tischlerhandwerk nur noch mit einem Messer auszuüben, bis zu den Ansätzen der Des-In Gruppe, die auch Baupläne herausgab und mit einfachen Vorrichtungen rentablere Kleinserien herstellte. Ziel war es, die gesamte Bandbreite des alternativen Handwerks voran zu bringen: von der Eigenarbeit über den Nebenerwerb bis hin zu selbstständigem Handwerk und dezentralen Manufakturen mit ökologisch, sozial und ästhetisch, alternativen Standards.

Infos Juli 2014 NeuInfo_Links.htmlshapeimage_3_link_0